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Zum Hintergrund:

  1. Problemstellung

    Der deutsche Glücksspielmarkt liegt nahezu monopolartig in den Händen des Staates. Glückspieldienstleistungen jedweder Art, Lotterien und Sportwetten werden einer restriktiven Beschränkungspraxis unterworfen. Für die Entfaltung privater Anbieter solcher Dienstleistungen, das hat die Praxis gezeigt, öffnet sich der Zutritt zum Markt kaum, und zwar unabhängig davon, ob Marktteilnehmer aus dem Inland oder (EU-)Ausland auf dem bundesdeutschen Glücksspielmarkt Fuß fassen wollen. Auf dem Sportwettenmarkt wurde bislang hartnäckig und konsequent gegen private - inländische wie ausländische - Veranstalter und Vermittler vorgegangen. Private Wettbewerber wurden wegen unlauteren Wettbewerbs auf Unterlassung in Anspruch genommen. Andere erhielten von der zuständigen Behörde eine für sofort vollziehbar erklärte Ordnungsverfügung gerichtet auf die Schließung der Wettannahmestelle oder es wurden Untersagungen der Werbung für private Sportwettenanbieter in Fussballstadien ausgesprochen. Schließlich wurden auch staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren wegen unerlaubten Glücksspiels angestrengt. Die in diesen Fällen ergangenen Urteile der Zivil-, Straf- und Verwaltungsgerichte festigten bis zum Erlass des "Gambelli-Urteils" des EuGH (NJW 2004, 122, 139f.), teilweise auch noch in Kenntnis dieser Entscheidung die Monopolstellung des deutschen Lotto- und Totoblocks.

    Indes häufen sich nun Entscheidungen von Straf- und Verwaltungsgerichten, die in Fallkonstellationen mit Europarechtsbezug (regelmäßig Vermittlung von Sportwetten zu einem im EU-Ausland ordnungsgemäß zugelassenen Sportwettenveranstalter) diejenigen Vorschriften, die Grundlage für eine Entscheidung gegen die privaten Veranstalter bzw. Vermittler wären, wegen Anwendungsvorrangs von EU-Recht für nicht anwendbar erklären. In Sachen "Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten" kann man in der gegenwärtigen Situation von einer Rechtszerslitterung sprechen. Einige Gerichte halten an der bislang geübten restriktiven Praxis fest, andere berücksichtigen den Anwendungsvorrang des EU-Rechts (siehe hierzu die angegebenen Entscheidungen). Auch das Bundesverfassungsgericht hatte sich schon zu Wort gemeldet

    Zunächst bat es Ende 2004 Oberbürgermeister von Städten in Nordrhein-Westfalen darum, vorerst von Vollstreckungsmaßnahmen gegen Vermittler von Sportwetten, denen vor dem OVG Münster einstweiliger Rechtsschutz versagt worden war, abzusehen. Im April 2005 (BVerfG, Beschluss vom 27.04.2005 -1 BvR 223/05) hob es Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und des Bayerischen Verwaltungsgerichts München gegen einen Vermittler von Sportwetten auf, dem ebenfalls einstweiliger Rechtsschutz versagt worden war. Gegenwärtig werden in Nordrhein-Westfalen vor den Verwaltungsgerichten Vergleiche abgeschlossen, aufgrund derer Sportwettenvermittler in ihrer Tätigkeit zunächst geduldet bleiben.

  2. Zahlen

    Die Glücksspielbranche bildet mit ihrem umfangreichen Angebot einen erheblichen Wirtschaftsfaktor Deutschlands und Europas. Die Umsätze der deutschen Glücksspielbranche stiegen im Jahr 2003 auf über 27,5 Milliarden EUR (Quelle: Archiv- und Informationsstelle der deutschen Lotto- und Toto-Unternehmen, Institut für Wirtschaftsforschung, Jahrbuch Sucht 2005). Wie schon in den Vorjahren flossen auch im Jahr 2003 beträchtliche Einnahmen aus den Glücksspielen in die öffentlichen Kassen. Erwartet wurden für das Jahr 2003 über 4,7 Milliarden EUR (Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft, Jg. 30, Nr. 3, vom 15. Januar 2004). Die Einnahmen aus Glücksspiel haben sich damit seit 1970 mehr als versiebenfacht. Die Einnahmen bestehen zum einen aus Steuereinnahmen (Lotterie- und Rennwettsteuer), zum anderen aus Gewinnablieferungen und anderen Abgaben von Lotto- und Totogesellschaften der Länder sowie der Spielbanken.

    An Steuereinnahmen wurden für das Jahr 2003 2 Mrd. EUR erwartet, darunter die Lotteriesteuer mit 1,9 Mrd. EUR. An Aufkommen aus Gewinnablieferungen und anderen Abgaben wurden 2,7 Mrd. EUR erwartet. Hierzu sollten Zahlenlotto und Fußballtoto 1,8 Mrd. EUR beitragen, die Spielkasinos 0,8 Mrd. EUR. Die starke Zunahme der Einnahmen aus Spielbankabgaben von 61 Mio. EUR im Jahr 1970 auf 829 Mio. EUR in 2003 ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Anzahl der Spielbanken in Deutschland stark gestiegen ist. Vor rund dreißig Jahren gab es in Deutschland etwa ein Dutzend Spielkasinos, vor zehn Jahren waren es gut 25, heute sind es 78 (Quelle: Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 06.05.2003).

  3. Rechtslage in Deutschland und Europa

    1. Bundesrechtliche Regelungen

      Im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz für das Strafrecht aus Art. 74 Nr. 1 GG hat der Bundesgesetzgeber das Veranstalten und Bewerben öffentlicher Glücksspiele und Lotterien ohne behördliche Erlaubnis nach den §§ 284 bis 287 StGB mit Strafe bedroht. Bei diesem Verboten handelt es sich um repressive Verbote mit Befreiungsvorbehalt. Ergänzend zu den strafrechtlichen Vorschriften bestimmen die §§ 762, 763 BGB, dass Spielverträge nur verbindlich sind, wenn die Glücksspielveranstaltung staatlich genehmigt ist. Das bundesrechtliche Rennwett- und Lotteriegesetz vom 08.04.1922 (RWG - RGBl. I S. 335, 339, zuletzt geändert durch Gesetz vom 17.05.2000 [BGBl. I S. 715]), regelt neben der Zulassung von Buchmachern und Totalisatoren bei Pferderennen bundeseinheitlich auch die Besteuerung von Lotterien und Ausspielungen. Die Gewerbeordnung (GewO) trifft Regelungen zu Spielhallen und Spielen mit Gewinnmöglichkeit (§§ 33 c bis i GewO).

    2. Landesrechtliche Regelungen

      Die Gesetzgebungszuständigkeit für das materielle Glücksspielrecht steht nach klassischen Verständnis gemäß Artikel 70 Absatz 1 GG den Ländern zu. Glücksspiel gehöre demnach zum Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (BVerfG, Urteil vom 18.03.1970, 2 BvO 1/65). Viele Bundesländer hatten von ihrer so zugebilligten Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht und entsprechende Gesetze erlassen. Die Sportwetten- und Lotteriegesetze der Länder regelten entsprechend der strafrechtlichen Regelung in §§ 284 ff. StGB, unter welchen Voraussetzungen eine strafausschließende Genehmigung erteilt werden konnte oder zu erteilen war. Ordnungsrechtlich verfolgten die einzelnen Landesgesetze ebenfalls die bereits der strafrechtlichen Regelung zugrundegelegten Ziele. Die unterschiedlichen rechtlichen Regelungen der Länder und die neuere Rechtsprechung zur Zulassung privater Lotterien (VG Düsseldorf, Urteil vom 31.08.2001 -Az. 18 K 11762/92-) gaben Anlass zu einer Neuordnung und länderübergreifenden Vereinheitlichung der landesrechtlichen Rahmenbedingungen für die Veranstaltung von Glücksspielen und zur Zulassung und Durchführung von Lotterien. Daher haben die Ministerpräsidenten der Länder den am 01.07.2004 in Kraft getretenen Lotteriestaatsvertrag beschlossen. Der Lotteriestaatsvertrag wurde von sämtlichen Landesparlamenten ratifiziert. Der Lotteriestaatsvertrag schafft im Rahmen der bundesrechtlichen Vorgaben und der ordnungsrechtlichen Aufgabenstellung der Länder länderübergreifend einheitliche Grundlagen für Glücksspiele, insbesondere für Lotterien.

    3. Europarecht

      Sowohl die Veranstaltung von als auch die Teilnahme an Glücksspielen werden grundsätzlich von den Grundfreiheiten des EG-Vertrages erfasst (EuGH, Urteil vom 24.03.1994, Rs. C-275/92, Slg. I 1994, 1039 - Schindler). Je nach Fallgestaltung kommen als einschlägige Grundfreiheiten die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 ff. EGV) und/oder die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 ff. EGV) in Betracht.

      Zur Dienstleistungsfreiheit:

      Dienstleistung im Sinne des EGV wird in Art. 50 Abs. 1 EGV definiert als Leistung, die in der Regel gegen Entgelt erbracht wird, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegt. Dienstleistung im Sinne des Art. 49 EGV ist daher jede selbständige Leistung, die üblicherweise gegen Entgelt erbracht wird und nicht nur eine Begleitleistung bei der Verwirklichung einer Tätigkeit darstellt, und deren Schwerpunkt vom Anwendungsbereich einer anderen Grundfreiheit erfasst wird. Das Charakteristikum der Glücksspielveranstaltung besteht darin, dass dem Spieler gegen Einsatz die Möglichkeit eröffnet wird, im Verlauf der Veranstaltung unter Einhaltung der Regeln Geldgewinne zu erzielen. Der dem Spieler hier vom Veranstalter angebotene "Dienst" liegt darin, dass für diesen der Veranstaltungsablauf und seine Regeln nutzbar gemacht werden (bei Sportwetten beispielsweise der Wettplan, die Quote und die Teilnahmemöglichkeit, bei Lotterien die Ziehung von Lottozahlen oder Losen). Lotterien, Sportwetten und sonstige Glückspielveranstaltungen, die sich aus dem EU-Ausland auch an deutsche Einwohner richten, fallen damit grundsätzlich unter den Anwendungsbereich des Art. 49 EGV.

      Zur Niederlassungsfreiheit:

      Im Verhältnis zu den Art. 43 ff. EGV sind die Art. 49 ff. EGV subsidiär. In Abgrenzung der Vorschriften ist darauf abzustellen, ob die Tätigkeit des Leistenden in einem anderen Mitgliedstaat zeitlich begrenzt oder aber dauerhaft bzw. auf unbestimmte Dauer angelegt ist (dann Art. 43 ff.). Denn je mehr ein Leistender im Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaates präsent ist, desto mehr ist er im Interesse der Sozialordnung des aufnehmenden Mitgliedstaates an die für Inlandsansässige geltenden allgemeinen Vorschriften zu binden, während dies bei lediglich gelegentlicher Tätigkeit nicht in jeder Hinsicht erforderlich sein muss. Infolgedessen unterfällt die punktuelle, vorübergehende oder gelegentliche Tätigkeit den Art. 49 ff. EGV. Demgegenüber wird eine geplante oder tatsächlich von einem Mitgliedsstaat auf einen anderen Mitgliedstaat ausgerichtete, dauerhafte oder schwerpunktmäßige Tätigkeit zur Niederlassung, jedenfalls dann, wenn es mittels einer festen Einrichtung erfolgt. Es genügt bereits die dauerhafte Ausrichtung der Geschäftstätigkeit auf ein anderes Land. Daher kann grundsätzlich auch die Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EGV auf Lotterie- und Glückspielanbieter, welche aus dem europäischen Ausland in Deutschland tätig werden, Anwendung finden. Bislang hat der Europäische Gerichtshof seine Prüfung jedoch auf die Dienstleistungsfreiheit konzentriert (zuletzt noch EuGH, Urteil vom 06.11.2003, Rs. C-243/01 - Gambelli, NJW 2004, 122, 139f.).

      Rechtfertigung der Beschränkung

      Die mit dem Verbot, ungenehmigte Glücksspiele in Deutschland zu veranstalten, einhergehenden Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs bzw. der Niederlassungsfreiheit sind nur unter der Voraussetzung gerechtfertigt, dass zwingende Gründe des Allgemeininteresses diese Beschränkungen rechtfertigen und die Beschränkung im Übrigen verhältnismäßig, d.h. geeignet, erforderlich und nicht diskriminierend ist. Als zwingende Gründe des Allgemeininteresses, die eine Beschränkung der Dienstleistungs- bzw. der Niederlassungsfreiheit darstellen, kommen im Glücksspielbereich jedenfalls der Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung, die Zuverlässigkeit des Veranstalters sowie die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielenin Betracht. Nicht zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gehören rein fiskalische oder wirtschaftliche Gründe (zuletzt noch ausdrücklich EuGH, Urteil vom 06.11.2003, Rs. C-243/01 - Gambelli, NJW 2004, 122, 139f.).

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